Die Verantwortung, die wir als Reiseblogger haben, beschäftigt mich immer noch. Ich stelle erfreut fest, dass es nicht nur mir so geht, es gibt viele, die sich darüber Gedanken machen.
Dabei wird dieses Thema sehr vielschichtig angegangen. Es reicht von zerstören-wir-eine-Gegend-wenn-wir-sie-anpreisen über wie-reist-man-eigentlich-ökologisch bis hin zu die-Händler-vor-Ort-unterstützen.
Diesen letzten Punkt nehme ich als Anlass für den heutigen Beitrag und erweitere ihn zu:
wie benimmt man sich eigentlich an der Côte d’Azur
1) Müll & Mülltrennung
Frankreich erscheint mir in der Müllfrage recht gespalten. Einerseits sind sämtliche Plastiktüten in jeglichen Shops verboten, andererseits bekommt man Softdrinks überwiegend in Aludosen. Obst und Gemüse wickelt man inzwischen in Tüten aus Maisstärke oder Papier mit Klarsichtfenster. Aber die Plastiknetze für Zwiebeln oder Knoblauch gibt es immer noch.
Mittags bestellen viele Franzosen Essen bei einem Lieferservice. Das kommt in zwei Schichten, entweder zu 12 Uhr oder zu 13 Uhr. Und es kommt kalt. Man macht es sich in der Mikrowelle warm. Deswegen gibt es bergeweise Verpackungsmüll hinterher.
Und es gibt extrem viele Bistros, die zwar eine richtige Küche haben und sehr leckere selbstgekochte Gerichte anbieten, aber auf Plastikgeschirr und -besteck servieren, während man auf Plastikstühlen und an Plastiktischen sitzt. Auch diese papiernen Esssets finde ich unangenehm. Du weißt schon, die reinweißen, die das Tischtuch schützen. Versteh ich nicht…
Ach und wo wir gerade bei Nicht-verstehen sind: kann mir mal einer erklären, wozu jemand im Alter zwischen 6 und 80 einen Strohhalm braucht?
Die Mülltrennung ist noch mal ein ganz anderes Thema. Mir scheint, als wenn nicht nur jedes Departement dazu eigene Richtlinien hat, sondern auch jede Kommune bzw. jedes Dorf. In unserem Dorf gibt es Glascontainer, Papier und Plastik kommt in denselben Container und alles andere kommt in die schwarze Tonne. Aber die Glas-, Papier/Plastikcontainer stehen an der Straße, die schwarze Tonne ist direkt neben der Toreinfahrt. Von unseren Nachbarn trennt deswegen kaum jemand seinen Müll, obwohl sie ihn eh schon mit dem Auto hinbringen.
Fazit: Geh mit gutem Beispiel voran, auch wenn Dein Vermieter auf die Frage nach der Mülltrennung abwinkt. Es ist wichtig und richtig den Müll zu trennen!
2) Wasser- und Stromverbrauch
Seit wir die Riviera für uns entdeckt haben, gibt es fast jedes Jahr einen neuen Hitzerekord. Die Einheimischen leiden sehr unter der Hitze. Über 40°C und das wochen- wenn nicht gar monatelang sind kein Spaß. Die Klimaanlagen laufen auf Hochtouren, weil die Leute sonst gar nicht schlafen können, aber sie müssen am nächsten Tag ja wieder arbeiten.
Von unserem Stromanbieter bekommen wir in der Zeit immer Emails mit Tipps und Warnungen. “Leute, schaltet nicht alle sofort Waschmaschine und Geschirrspüler ein, wenn ihr nach Hause kommt!”, “Macht die Klimaanlage auch mal für ein paar Stunden oder wenigstens Minuten aus!”, “Nicht lüften bei angeschalteter Klimaanlage” usw.
Die Region hat ein ernstzunehmendes Versorgungsproblem in den Hochzeiten wie Sommer und Winter. Fernwärmeheizungen wie bei uns gibt es nicht. Man heizt mit der Klimaanlage oder mit elektrischen Heizlüftern. Oft fällt deswegen im Winter an Wochenenden oder abends ab 18 Uhr der Strom aus. Daran merkt man, wann alle zu Hause sind… Und auch im Sommer wird regelmäßig vor Stromausfällen gewarnt.
Fazit: Achte bei der Wahl Deiner Unterkunft gezielt auf solche Dinge. Vermeide zum Beispiel eine Ferienwohnung unter dem Dach. Du wirst Dich entweder wegen der Klimaanlage erkälten oder totschwitzen, wenn der Strom ausfällt. Nimm eine Wohnung etwas außerhalb einer Stadt, dort ist es ein paar Grad kühler. Und such nach einer, in der Du kreuzlüften kannst. Unser Badfenster geht nach Norden ebenso die Wohnungstür. Abends reißen wir beide auf und freuen uns über die kühle Brise. Verdunkle die Fenster, vor allem, wenn Du nicht da bist. So heizt die Wohnung nicht so auf.
Dass die Region extrem waldbrandgefährdet ist, dürfte Dir ja nicht neu sein. Jedes Jahr brennen im Sommer viele Quadratmeter Wald über die gesamte Küste verteilt. Im Hochsommer darf man den Wald oft unter hoher Strafe nicht betreten. Denn es gibt immer noch Idioten, die ihre glimmenden Zigaretten einfach wegschmeißen.
Wenn Du mal im Regen in der Gegend bist, dann kannst Du sehen, dass viele Bäume einen fast schwarzen Stamm haben, auch wenn sie sonst ganz normal aussehen. Das sind Hinweise auf einen Brand.
Fazit: sei extrem sparsam mit dem Verbrauchswasser. Viel sparsamer als bei Dir zu Hause. Dusche kurz, stell Dich nicht darunter, um Dich abzukühlen. Setz Dich stattdessen lieber nass in den Schatten und lass Dich lufttrocknen. Aber pass auf, dass Du Dich dabei nicht erkältest. Betreibe die Waschmaschine nur, wenn es sein muss. Bei ein oder zwei Wochen Urlaub musst Du nicht unbedingt Wäsche waschen. Und wenn doch, nimm Kurzprogramme und häng Deine Wäsche zum Trocknen raus. Unterbrich die Toilettenspülung, wenn es keinen Knopf für wenig Wasser gibt. Im Hotel brauchst Du nicht jeden Tag frische Handtücher, hast Du zu Hause ja auch nicht.
3) Hinterfrage das regionale Freizeitangebot
Wirklich kein Mensch sollte Aqua-Parks mit dressierten Meeresbewohnern besuchen und daran Freude haben. Das ist gelebte Tierquälerei! Ebensowenig sollte man mit einem Speedboot über das Meer brettern. Der Lärm ist ohrenbetäubend und stört nicht nur alle anderen Strandgäste, sondern auch die Tierwelt.
Der Beifang bei Fisch sind? Richtig: Delfine. Auch im Mittelmeer! An dieser Front kämpft Sea Shepherd Nice zur Zeit mal wieder sehr aktiv. Sowieso kämpfen sie an vielen Fronten an der Côte d’Azur. Beispielsweise patrouillieren Mitglieder trotz sengender Hitze im Hochsommer an der Küste und zeigen Boote an, die in verbotener Küstennähe ankern.
Und sie demonstrieren regelmäßig vor den beiden Parks, die es hier leider immer noch gibt, gegen die Tierquälerei bei der Haltung und den Shows.
Auch bei der Öffentlichkeitsarbeit ist Sea Shepherd ganz vorne mit dabei. Falls Du also irgendwo einen Stand siehst, geh ruhig hin und erkundige Dich. Die Mitarbeiter sprechen Englisch. Und sie leben, was sie propagieren: bei uns um die Ecke wohnt ein Mitarbeiter, sein Elektroauto ist beklebt mit Aufrufen zu einem veganen Leben.
Fazit: Bitte achte darauf, was Du mit einem gedankenlosen Besuch anrichten kannst. Guck Dir keine Wale an, die durch Reifen springen. Das ist einfach unwürdig, für Dich und den Wal. Lass Dich nicht von einem Boot an einem Fallschirm über das Meer ziehen. Geh lieber Stand Up Paddeln! Wirf den Anker nicht im Küstenschutzbereich aus. Abgesehen davon, dass es wirklich richtig teuer wird, wenn Du erwischt wirst, zerstörst Du das Unterwassergras, dass maßgeblich dafür verantwortlich ist, die Küste bei den Herbststürmen zu schützen.
4) Respekt und Achtsamkeit
Reisen bildet. Reisen hilft dem Land und sichert Arbeitsplätze. Reisende bessern die Haushaltskassen von Einheimischen auf, indem sie bei ihnen Zimmer mieten. Tourismus ist eine der wichtigsten Einnahmequellen.
Dennoch sollten wir nicht wie die Hottentotten in dem fremden Land einfallen. Die Franzosen beispielsweise sind viel zurückhaltender und leiser als wir Deutschen. Ihre Kinder fallen in Restaurants nicht auf und schon gar nicht negativ. Da rennt niemand um Tische oder bekommt einen Heulkrampf. Ich habe keine Ahnung, wie die Eltern das machen, aber ich bewundere sie sehr dafür.
FKK ist an ausgewiesenen Stränden erlaubt. Hier findest Du einen Bericht und eine Karte dazu.
Kirchen betritt man ordentlich angezogen, ja, auch in Frankreich und ganz besonders, wenn an der Tür ein Schild angebracht ist, das dazu aufruft. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein…
In den Wäldern verlässt man nicht die Wege. Besonders nicht, wenn man mit dem Moutainbike unterwegs ist. Die Bremsmanöver zerstören den Boden. Viele heizen wie von Sinnen die Hänge hinunter und spätestens mit dem nächsten Regen werden diese Kurven dann bis auf das Gestein ausgewaschen. Beim übernächsten Regen rauschen dann ganze Sintfluten an dieser Stelle gen Tal. Die einheimischen Radfahrer treffen sich deswegen regelmäßig und reparieren die Wege. Aber die Touristen brausen ohne einen Gedanken da runter, als wenn das Naturschutzgebiet Teil eines All-Inclusive-Angebotes ist.
Bei Dienstleistungen ist ein Trinkgeld von 10% üblich, egal ob im Restaurant, bei Stadtführungen oder im Taxi.
Lerne von Einheimischen, komm in Kontakt. Schließ Dich nicht in Deinem All-In-Hotelbunker ein und konsumiere Deine mitgebrachten Lebensmittel. Begegne den Menschen offen und herzlich und lass Dich überraschen, welch schönen Erlebnisse daraus entstehen können.
Gesamtfazit: Was ich mit diesen ganzen Beispielen sagen will: wir sind zwar ein Europa, aber dennoch gibt es kulturelle Unterschiede und wir sollten Rücksicht nehmen und erstmal vorfühlen, was in dem anderen Land schicklich ist und was abstoßend wirkt. Gute Kinderstube hat noch niemandem geschadet und wir sind, wenn wir reisen, einfach bei Fremden in deren Land. Egal, wie weit wir dafür fahren.
weiterführende Links
Hier werde ich eine Sammlung an Artikeln anlegen, die sich mit dem Thema Reisen und Respekt beschäftigen. Den Anfang macht das Örtchen Oia auf Santorin. Du kennst es: weiße Häuser, blaue Fensterläden, pinke Bougainville – sie haben einen wunderbaren Text geschrieben. Aber der Hintergrund ist wirklich verstörend…
Anita von gailtalontour fragt sich: Nachhaltig reisen, geht das?
Heiko von people-abroad fragt den Reiseanbieter Fairaway: Umweltfreundlich reisen – geht das wirklich?
Kennst Du schon Anderswo? Das ist ein Magazin von fairkehr Verlag, das sich für nachhaltige Mobilität und einen nachhaltigen Tourismus einsetzt