An dieser Stelle in der Nähe von Fréjus im Reyran-Tal ereignete sich eine der größten Katastrophen in der Geschichte Frankreichs, als am 2.12.1959 um 21:13 Uhr der Staudamm von Malpasset brach. Mindestens 423 Tote und viele Vermisste, die nie gefunden wurden, weil die Flutwelle alles mit sich riss und bis ins Meer spülte. Eine 1,5 Kilometer breite Schneise der Verwüstung.
Riesige Felsbrocken, manche so groß wie ein Haus, liegen bereits vor dem großen Besucherparkplatz, von wo aus man noch bestimmt 45 Minuten bis zum eigentlich Staudamm läuft. Allerdings verstehe ich da eigentlich noch nicht richtig, was ich sehe. Erst auf dem Rückweg wird mir bewußt, was es bedeutet, wenn solche Betonkolosse vom Wasser so weit transportiert werden.
50 Millionen Kubikmeter Wasser rauschten in einer 40 Meter hohen Flutwelle mit 70 km/h Richtung Meer. Nach 20 Minuten erreichen sie Fréjus und hinterlassen Schlamm und Verwüstung.
Ein Helfer ist vor Erschöpfung gestorben, das Militär, auch das amerikanische, half am nächsten Tag sowie zahlreiche andere Organisationen und Freiwillige, schwangere Frauen durften ihre Verlobten post mortem heiraten, damit die Kinder nicht unehelich geboren wurden.
Übrigens war der Bau erst 1954 fertiggestellt worden.
Was für eine Tragödie.
Dieses Hintergrundwissen hatte ich am Tag unseres Ausflugs noch nicht. Wir wussten nur lückenhaft über die Katastrophe Bescheid, aber die vielen Informationstafeln, die überall im Tal stehen, erklären sehr gut auf Französisch und Englisch, was passiert ist. Die restlichen Informationen habe ich im Internet recherchiert. Und bizarrerweise ist es ein schöner sonniger Tag Ende September, an dem wir zu unserer Wanderung aufbrechen. Unseren ersten Schrecken erleben wir auf dem Weg von unserem Parkplatz zum eigentlich Parkplatz (nicht da anhalten, wo das P ist, 500 m weiter ist ein riesiger Parkplatz, nimm lieber den): uns kommen bestimmt 20 Geländewagen entgegen gebrettert, teilweise mit wild bellenden Hunden hinten drauf – es ist Jagdsaison und ich hasse das. Abgesehen davon, dass ich Angst davor habe, dass einer von denen gerade “sein Gewehr putzt” oder die Brille nicht aufhat, weiß ich auch nie, was deren Hunde mit meinem Hund machen. Man soll sich ja Jagd- und Hütehunden auf keinen Fall mit Hund nähern, aber kommen die uns hinterher gerannt und zerlegen dann meinen kleinen Traumtänzer in mundgerechte Happen? Ich weiß es nicht!
Nach ein paar Metern waren dann aber alle von denen weg, oder zumindest so gut wie alle. Zwei mussten tatsächlich noch ihr Gewehr putzen, neben dem Besucherparkplatz und dem Hauptzugang. Ich hab Blut und Wasser geschwitzt…
Ein Stück hinter der ersten Informationstafel gabelt sich der Weg. Rechts geht es eher über Stock und Stein und in der Talsohle entlang, links steigt eine breite Schotterpiste an. Wer die Talsperre aus der Nähe sehen will, sollte den rechten Weg nehmen.
Die Sonne brennt, es gibt nicht viel Schatten und man sollte unbedingt genug Trinkwasser und einen Kopfschutz dabei haben. Und festes Schuhwerk natürlich.
Unser Weg führt uns im ehemaligen Flussbett bis zur Staumauer, dort links vorbei über den Berg und dessen Rückseite wieder runter und dann über die Ruine des Staudamms zurück zum Flussbett, von wo wir wieder zum Parkplatz laufen. Ein anstrengender Weg, nicht nur emotional.
Meinen zweiten Schrecken erlebe ich kurz nach den nächsten Infotafeln. Da entdecken wir ein paar Typen in Tarnkleidung mit Waffen und Marschgepäck. Einer liegt auf dem Boden, einer versteckt sich hinter einem Baum, einer steht weiter oben auf einem Berg und ein paar andere schleichen dazwischen herum. Militärübung im Touristengebiet!? Ich fühle mich sehr unwohl mit den waffentragenden Typen hinter und neben mir, aber die tun so, als wären wir nicht da, während sie die Hänge rauf und runter robben. Alles unter den wachsamen Augen vom Boss, dem Typ im Auto.
Fazit:
Verrückt, gemischte Gefühle, anstrengende Wanderung, für meinen Geschmack eindeutig zu viele Gewehre – trotzdem bin ich froh, dass ich dort war.
(Wer sich für Bilder von damals interessiert, findet sie hier.)