Zurzeit ist das Wetter an der Côte d’Azur nicht so doll. (Brauchst Du noch Tipps, was Du bei Regen unternehmen kannst? Guck mal hier.) Irgendwie scheint es einen Monat hinterherzuhinken. Letztes Jahr waren wir um diese Zeit schon im Meer baden. Aber die Einheimischen sagen, dass es eigentlich immer verregnet ist, wenn die Filmfestspiele in Cannes stattfinden. Warum also mit dieser Tradition brechen?
Und so regnet es – und wie es üblich ist, tut es das immer am Wochenende. Letzten Sonntag hatte ich “frei” (also keinen Hund und keinen Mann). Ich konnte machen, was ich wollte und ich wollte mir dieses Künstlerviertel in Cannes angucken und wenn ich dann schon mal da bin, auch das Filmfestspielspektakel. Und anschließend wollte ich noch nach Cagnes-sur-Mer fahren und mir endlich, endlich das Haus von Renoir ansehen. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich ein anderes Mal erzähle.
Heute nehme ich Dich mit ins Cannes der Festivalsaison.
Bei solchen Großereignissen erstaunt es mich immer wieder, dass das Alltagsleben einfach nebenher weitergeht. Aus den Medien und in Unterhaltungen bekommt man den Eindruck, dass die Welt eigentlich stillstehen müsste, wenn Ereignisse solcher Dimensionen stattfinden. Zumindest wird kaum noch von etwas anderem gesprochen. Bei allen ist es ein einschneidendes Erlebnis, sei es bei den Gastronomen, die sich auf einen Ansturm vorbereiten (oder sich fragen, warum er ausbleibt), den Pendlern, die sich über die gesperrten Straßen beklagen oder den Nachbarn, die die Wetterlage während der Filmfestspiele als Referenz für gewagte Prognosen nehmen. Deswegen habe ich eine Weile mit mir gerungen, ob ich es überhaupt wagen soll, mich in das befürchtete Getümmel zu stürzen, nur um diese Galerie zu besuchen oder ob ich es besser auf “danach” verschiebe. Aber nein, kein Feigling sein!
Und wie ich schon angedeutet habe: es war kaum etwas spürbar in der Umgebung. Wirklich erstaunlich. Klar, am Hafen war einiges los und der Verkehr wurde kreativ umgeleitet. Aber abgesehen davon war alles wie immer. Wie üblich haben die trillerpfeifenden und wild gestikulierenden Polizisten zu den Stoßzeiten das herrschende Chaos ordentlich vergrößert. Der marché forville fand auch wie üblich an der altbekannten Stelle mit dem gewohnten Angebot statt. Und sogar neben dem Bouleplatz direkt gegenüber des palais de festival wurden Antiquitäten und Trödel wie jeden Sonntag feilgeboten.
Es gibt also absolut keinen Grund, Cannes in der Festivalzeit zu meiden!
Aber ich wollte ja eigentlich zum suquet des artistes. Seit 2015 residieren 4 Künstler aus Cannes in der ehemaligen Leichenhalle der Stadt – huiuiui! – mittlerweile schön renoviert, auf ca 850 qm, oben in der Altstadt unweit der Kirche (Adresse: 7, Rue Saint-Dizier, 06400 Cannes).
Ich habe mich auch brav vorbereitet: Öffnungszeiten und Adresse gegoogelt und mich rechtzeitig auf den Weg gemacht – um dann doch vor (halb) verschlossenen Türen zu stehen. Denn wie es sich für Frankreich gehört, sind die Ateliers geöffnet, wenn der Künstler da ist. (Wann er da ist – wer weiß?!) Ein Besuch bleibt also mit einem gewissen Abenteuer verbunden, allerdings könnte ich mir vorstellen, dass die Chance unter der Woche etwas größer ist als am Wochenende. (Kannst Du zuverlässigere Angaben machen? Dann schreib mir doch bitte.)
Aber es gibt auch eine große Ausstellungsfläche, wo andere Künstler ausstellen können (Eintritt frei) und diese Ausstellung kann man auf jeden Fall ansehen. Übrigens findet man im suquets des artistes moderne Kunst.
Dennoch würde ich den Besuch nicht missen wollen, das Drumherum sieht toll aus und wenn man eh schon in der Altstadt herum stromert, dann kann man den kleinen Abstecher auch noch machen. Es ist eine abgeschiedene Ecke hinter einem hübschen kleinen Park und wenn der Touristentrubel des suquet einen etwas erschöpft hat, kann man hier wieder Ruhe tanken.
Und nun weiter ins Suquet, der Altstadt von Cannes
Für le suquet kann ich Dir nur dringend ans Herz legen, Dich so richtig ordentlich zu verlaufen. Das ist zwar zugegebenermaßen etwas schwierig, weil der Bereich nicht sehr groß ist, aber was ich damit eigentlich sagen will: bieg mal in ein paar der schmalen Gassen ein, geh von den Hauptwegen weg. Es ist so hübsch in dem Teil, wo auch noch ein paar Einheimische leben. Und still und friedlich. Es gibt einen weiteren kleinen Park, durch den man von der Kirche wieder an den Hafen kommt, wo einen dann der “richtige” Trubel empfängt. Oder wie an diesem Sonntag: die Filmfestspiele!
Übrigens, falls Du Lust hast, Dich noch ein bisschen mehr im Suquet zu verlieren, dann kann ich Dir den 6. Teil von Christine Cazons (*) Krimi-Serie um Kommissar Duval empfehlen. Der ermittelt nämlich hier und man lernt die Gegend durch seine Augen noch mal ganz anders kennen.
Filmfestspiele in Cannes
Cannes brummt während der 11 Tage, die die Festspiele dauern. Allerdings kann man dem auch ganz wunderbar aus dem Weg gehen und nur mal reinschnuppern, wenn man Lust dazu hat. Ich war mittags kurz vor dem Start einer neuen Vorführung vor Ort. Die Glücklichen, die Karten oder Einladungen hatten, standen an den Sicherheitskontrollen an, alle weniger Glücklichen standen vor der Absperrung und versuchten, Karten zu ergattern. In diesem Jahr wurden 6.000 Cannois zu den Festspielen eingeladen – wahrscheinlich, damit die Einheimischen nicht außen vorbleiben. Oder vielleicht als Anerkennung für besondere Leistung…
Wie überall an der Côte d’Azur muss man aber auch hier nur einmal um die Ecke gehen und schon hat man seine Ruhe – obwohl man eigentlich noch mitten drin ist:
Eines sollte ich noch erwähnen, nämlich den – nennen wir es: maritimen Belagerungszustand. Vor Cannes ankern derartig viele Boote in den Ausführungen “Groß” und “Größer”. Und wer möchte (und das nötige Kleingeld hat), kann sein Quartier für die Dauer der Festspiele auf einer der Luxus-Jollen beziehen, die direkt im Hafen neben dem Festivalgelände liegen und somit einen zentralen Vorteil bieten. Aber mir kommt es dort immer vor, wie auf einem extrem teuren Campingplatz zu Wasser: alles ist aus Plastik und der Nachbar keinen Meter entfernt. Nur schwankt es hier zusätzlich noch – nichts für mich.
Ach ja: Stars hab ich keine gesehen. Aber das brauche ich auch nicht. Ich habe an solchen Anblicken viel mehr Spaß:
Fazit:
Cannes kann man auch während der Festivalsaison besuchen, es gibt genügend ruhige Ecken, wo man sich von dem Trubel erholen kann. Oder hast Du das anders erlebt?